1) Hotel Rose
Ich erinnere mich noch gut an den Sommer 1972, es war der letzte Sommer in meiner damaligen Heimatstadt Idar-Oberstein. Mein Lehrvertrag zur Hotelausbildung in Wiesbaden war bereits unterschrieben und mir war klar, dass ich meine Freunde vermissen würde. Aber wie weh solch ein Abschied sein kann, merkt man erst, wenn es durchlebt wird. Lange Zeit bin ich regelmäßig heimgefahren und als meine Eltern bald wegzogen, noch ab und an.
Am 01.08.1972 war mein erster Tag im Hotel Rose am Kranzplatz in Wiesbaden. Ich war am Vortag angekommen, bekam mein Einzelzimmer zugewiesen und wurde gleich von den anderen Lehrlingen (keiner nannte sich damals Azubi) für den Abend eingeladen worden.
Michael Rosentreter aus Frankfurt, ich und Armin Klein aus der Nähe von Weilburg:
und "Der Kleine" Jürgen Attig aus Kamp-Lindfort:
Es war ein netter Abend und ich fühlte mich gleich angenommen. Menschen, die in einem Hotel arbeiten und darin auch wohnen, sind ein eigenes Völkchen, verbunden durch viele Erlebnisse und den Schichtdienst entwickeln sie eigene Begriffe und Handlungsweisen.
Das Hotel hatte den Haupteingang auf der Höhe der Kochbrunnenseite, einen gesonderten Appartementeingang links des Haupteinganges, weiter rechts den separaten Personaleingang, der auch der Eingang der Tagesgäste zum Bad war. Außer dem Restaurant gab es noch eine kleine gemütliche Rose Stube, die auf seine Gäste aus den Abendvorstellungen wartete.
Am Haupteingang des Hotels standen die Pagen, um das Gepäck der Gäste zu übernehmen. Zuständig für die Pagen war der Portier, lange bevor man oben am Empfang ankam. Nur wenige Stufen waren zu nehmen um in der Empfangshalle anzukommen. Hier war ganz links das Restaurant, links mehr mittig der Empfang, dahinter die Telefonzentale und die Konferenzräume. Direkt an der Treppe befand sich der Lift und rechts davon die Bar mit Terrasse zur Vorderseite. Nach oben gab es zwei Stockwerke Hotelzimmer, das dritte beherbergte die Appartements.
Links der Hausdiener, in der Mitte ein Praktikant aus Bulgarien, rechts Armin Klein aus der Nähe von Weilbach:
Zudem mittig ein Praktikant aus der Türkei, daneben der Barchef:
Tagesportier Wagner vor dem Haupteingang:
Vor dem Haupteingang:
Oben im Dach, in winzigen Zimmern, oft zu zweit pro Raum, logierte das Personal.
Im Keller zum Kranzplatz zu war links die Küche, das Getränkelager und Magazin. Gegenüber Personalkasino, eine hintere Treppe zum Restaurant dann die Wäscherei, Lift und das Personalbüro. Weiter das Büro von Adalbert Rosenow und traumhafte leere Gewölbe.
Mein Dienstantritt war erst in der Telefonzentrale, welche neben dem Empfang in der Nähe der Konferenzräume im Erdgeschoss lag. Richtig noch mit alten Stöpseln. Fast habe ich noch den so oft aufgesagten Satz: „Hotel Rose, Guten Tag," im Ohr. An der Telefonzentrale wurde auch in zwei Schichten gearbeitet. Wir wählten nach Wunsch der Hotelgäste bestimmte Nummern und wenn der Kontakt hergestellt war, wurde „gestöpselt“. Zeitgleich lief eine Uhr und zeigte die Gesprächseinheiten auf. Diese wurden dann in eine Kladde eingetragen und am Ende des Tages dem Empfang vorgelegt, damit das Telefonat auf die Hotelrechnung gebucht werden konnte. Hier arbeiteten zu meiner Anfangszeit zwei junge Männer, die Hotelkaufmann gelernt hatten. Sie waren vollkommen unterschiedlich vom Typus her und nur wenn es um den Empfangschef ging, waren sie sich einig. Dieser war sehr speziell, klein und immer bemüht in den für ihn vorteilhaften Situationen vorne zu stehen. Um seinen langen Reden bei den Gästen Ausdruck zu verschaffen, hing er manchmal halb über den Tresen….
Es war für die jungen Leute üblich, dass sie nur Jahresverträge unterschrieben,um im nächsten Hotel Erfahrungen sammeln zu können. Dazu nahm man entweder Kontakt mit einer eigenen Vermittlungsstelle auf oder schaute in die Zeitung extra für das Hotelgewerbe.
Weihnachtsmarkt in Wiesbaden mit Armin und "Börni" Steinborn aus Niedernhausen:
Unsere Kleidung war natürlich ausschließlich Schwarz/Weiß, weshalb ich nach der Lehre jahrelang keine schwarze Kleidung mehr getragen habe. Alle unsere Mahlzeiten nahmen wir zu speziellen Zeiten im Personalraum ein. Dann gab es noch ein kleines Casino für besondere Mitarbeiter. Als Lehrlinge gehörten wir natürlich nicht dazu.
Nach der Telefonzentrale wurde ich auf die Etage versetzt. Dort war eine strenge Hausdame und zeigte mir persönlich die Zimmer und erklärte ausführlich war zu tun sei. Die Möbel in allen Zimmern waren sehr besonders. Manchmal wirkte es streng und nüchtern, manchmal sehr mondän. Die Schränke, Betten, Tisch usw. waren von wunderbarem Holz und erhielten natürlich eine Spezialbehandlung. Die teueren Teppiche wurden zur Reinigung von den Hausdienern abgeholt. Unten in den „Katakomben“ gab es eine eigene Wäscherei, die die gesamte Wäsche selbst wusch und stärkte. Solch ein Bett zu beziehen ist eine eigene Wissenschaft. Es dann auch perfekt auszurichten eine weitere. Das beste Zimmermädchen war eine sehr korpulente Maria. Die Geschwindigkeit in der sie arbeitete, würde man so gar nicht zugetraut haben. Sie war die einzige, die bei den sehr betuchten Dauerappartement Mietern säubern durfte. Einige hatten goldene Wasserhähne. Bei den jungen Zimmermädchen waren ein kleine Gruppe aus einem Wiesbadener Mädchenheim, die im Hotel lebten. Sie waren sehr hilfsbereit. Trotzdem, ich musste ich nur eine Woche auf den Etagen bleiben.
Spaziergang am Neroberg: Links das Zimmermädchen Christa Wagner aus Kostheim:
Dann kam ich für ebenfalls eine Woche in die Kaffeeküche, hier war ein älteres Fräulein Michels, die eine Perücke tragen musste und sehr schnell aus der Fassung zu bringen war. Vorher erhielt ich noch eine Küchentaufe, die darin besteht, dass man mit voller Kleidung in das eigentliche Fischbecken geschmissen wird. Wohl dem, der im Hotel Ersatzkleidung hat. Das einzig gute an der Kaffeeküche: sie hatte nur Frühdienst. Der Nachmittagskaffe wurde vom Mitteldienst der Küche mitgehandhabt.
In der Kaffeeküche:
Die Großküche ist mir Gott sei Dank erspart worden. Wir hatten für jedes Lehrjahr zwei Köche plus die Vollköche, scherzhaft genannt „Küchenbullen“. Toll war, dass sie sich im Notfall mit der Küche des Hotel Schwarzen Bock gegenseitig freundschaftlich aushalfen. Unsere neuen Lehrköche wurden immer zu einem abgesprochenen Scherz in das Hotel Schwarzer Bock geschickt um z.B. etwas abzuholen, was es überhaupt nicht gab…
Die Berufsschule war für uns im Berufsschulzentrum hinter dem Bahnhof. Wer am selben Tag Schule hatte, ging auch gemeinsam die Wilhelmstrasse, am Bahnhof vorbei Richtung Mainzer Strasse und dann bergan.
Meine ersten Tage in der Berufsschule hatten mich total verwirrt. In Rheinland-Pfalz gab es Respekt vor den Lehrern. Als ich in Hessen in die Schulklasse kam, hatte ein Schüler die Bildzeitung auf dem Tisch samt Coladose und den Beinen.
Dann habe ich auch meine erste eins in Mathe geschrieben, simple Dreisätze, das war mir unheimlich, wei viel zu leicht. Das vorgesehene zweite Lehrmädchen, welches mit mir im selben Lehrjahr anfangen sollte, war abgesprungen, so dass ich in meiner Klasse alleine aus unserem Hotel war. Meine Schulfreundinnen waren deshalb ausschließlich aus anderen Häusern.
Rose-Lehrlinge bei der Überreichung ihrer Urkunden in der Rose-Stube mit Links dem Küchenchef Michael Krieger, Frau Dorothy Stolan geb. Häffner, Lehrlinge Anna, Gabi, N.N. und Hermann Fries sowie Herrn Rosenow und ganz rechts der Personalchef:
Mein Fußweg zur Schule war meistens mit den Köchen, wenn sie am selben Tag Schule hatten. Treffpunkt war am Personaleingang. Der Pförtner war über alles bestens informiert, wir mussten uns auch ein- und austragen.
Ab einer bestimmten Uhrzeit war dieser Personaleingang geschlossen und wir mussten durch den Haupteingang, der aber auch ab 23 Uhr abschlossen war. Wer später kam, musste klingeln und bekam vom Nachtportier geöffnet und wurde in das Nachtbuch eingetragen. Dieses lag dann jeden Morgen auf einem bestimmten Platz des Schreibtisches des Direktors Georg Karst.
Der Direktor regierte mit strenger Hand. Wenn ich am Anfang zu ihm gerufen wurde, ist das Herz in die Hose gerutscht. Er saß dann auf seinem Platz in der Ecke am Empfang direkt neben dem großen Safe und wenn es auf seiner Glatze rot pulsierte wusstest du, jetzt gibt’s großen Ärger.
Es folgte die Einsatzzeit im Restaurant. Der Restaurantleiter Hegenbart und sein aus Holland stammender Vize, genannt Dutch, welcher immer ein rotes Gesicht vom Alkohol hatte, wurden nur hektisch, wenn die Bankette der Hessischen Staatskanzlei anstanden oder abends nach dem Theater die kleine Rosestube überquoll.
Wir lernten die Tische wunderschön eindecken und warfen uns, damit es schneller geht, die teuren Teller gekonnt vom Wagen zum Platz zu. Zu den Veranstaltungen musste jeder mit anpacken, egal ob frei oder in einer anderen Abteilung. Nach getaner Arbeit nahmen wir uns die leckeren unangetasteten Speisen aus dem Wärmebecken und schmatzten wie die Großen. Hier lernte ich Steaks, Medaillons, Wachteleier auf Kresse und was noch alles kennen.
Immer schön in schwarz:
Es gab auch Empfänge in der Hotel Bar, wir mussten alle aushelfen Sekt auszuschenken und trabten mit den Tabletts durch die vielen wichtigen Leute und tranken später den restlichen Campus aus. Die Barkeeper durften bar kassieren und hatte immer genügend privates Geld in der Tasche.
Barchef Mario Este aus Norditalien am Haupteingang, rechts der Bareingang :
Wenn bei all diesen großen Veranstaltungen das totale Chaos ausgebrochen war, nannten wir es „wir sind in der Scheiße“ und das war ein Codewort, dass alle anderen Kollegen verstanden und halfen wo sie konnten und wenn es nur das öffnen des internen Liftes war.
Die Personalunterkünfte, von uns immer genannt der 4. Stock (für die weiblichen) und der 5. Stock (für die männlichen Mitarbeiter), waren schon recht speziell. Hier waren ausrangierte Möbel aus dem Hotelbetrieb, eine enge Waschkabine und die Badewanne auf dem Flur mit oben offenen Wänden. Flexibele Besucher waren stets die Kakerlaken, die bei Licht sofort in die Ritzen düsten. Grund für diese Tiere war die Nähe des Kochbrunnens.
Blick von meinem Zimmer auf den 5. Stock.
Über das Dach und Dachboden vom 4. auf den 5. Stock... Schnappschuss mit dem stellvertretenden Chefkoch Lange
und ein Zimmer der Jungs: Heinz Wessely aus Grossauheim:
Mein späteres Zimmer im Tausch mit dem sehr kleinen Einzelzimmer:
Überwiegend waren die Mitarbeiter keine Wiesbadener, sondern kamen aus verschiedenen Gegenden und somit fehlte uns allen das eigene private Umfeld. Unsere Zimmer waren recht klein und es war auch offiziell nicht erlaubt sich dort mit dem anderen Geschlecht zu treffen. So waren die Kollegen die Familie.
Wir machten Ausflüge auf den Neroberg, an den Schiersteiner Hafen, zum Biebricher Schloss oder in den naheliegenden Kurpark. Abends trafen wir uns allesamt und zogen in Lokale wie die Feuerwache, das U Boot, das Park Cafe, den Heustadel, den Big Apple. Einmal bin ich mit einer Freundin versehentlich in das Robin Hood gegangen, ohne dass wir das Publikum kannten.
Minigolf im Kurpark:
Heustadel:
Feuerwache:
Die Jungs passten immer auf uns Mädchen auf und sahen genau hin, wer uns z.B. zum tanzen aufforderte. Die Älteren übernahmen auch oft die Rechnung, da wir Lehrlinge sehr wenig verdienten. Gott sei Dank gab es ab und an Trinkgeld.
Meist blieben wir jedoch eine große, geschlossene Gruppe und so fanden sich auch einige Paare zusammen, einige haben geheiratet.
Am Kranzplatz:
Petra Fischer aus Bierstadt:
Jutta Wuttke aus Göllheim:
Unsere Abende waren meist schön und oft fand man den zeitlichen Absprung nicht. Lehrlinge mussten früh wieder in das Hotel zurück, Ältere am besten vor 1 Uhr morgens. Je länger wir uns kannten, desto besser war die Stimmung. Der Nachtportier Sandmann – genannt Sandy – schrieb alles unerbittlich ins schwarzen Buch und es gab Ärger.
Dann kamen wir auf die Idee von einem uns sonst nicht zugänglichen Tor einen Schlüssel nachmachen zu lassen. Es war der eigene Eingang der Appartement Mieter. Der Generalschlüssel lag im Safe, vor dem Georgy wie ein Wachhund saß. Ich arbeitete zu der Zeit schon am Empfang und als der Safe einmal unbeobachtet geöffnet war, entnahmen wir den Schlüssel und jemand, der keinen Dienst hatte lief schnell zum Schlüsseldienst. Die Kopie hat geklappt, der Schlüssel zurück in den Safe, Uff. Von da an verabredeten wir uns Abends zu einer bestimmten Zeit vor dem Hotel, um dann gemeinsam und unbemerkt ins Hotel zurück zu gelangen. Das ging sehr lange gut. Der Direktor samt Sandmann merkten, dass keiner mehr zu spät heimkam. Sandmann wurde immer sehr rot und hektisch, wenn irgendwas am schieflaufen war und ihm war klar, dass hier etwas nicht stimmte.
Da wir uns alle auch nachts gut im Gebäude auskannten, gingen wir leise und getrennt und stets auf verschiedenen Wegen zu unseren Unterkünften. Sandmann konnte zur Not nur einer Gruppe folgen, wenn er uns ausgemacht hätte. Einmal waren wir nicht leise genug und er hat etwas gehört, rief und rannte rum, aber keine Chance.
Einmal hatten ein Kollege und ich den Zeitpunkt des heimlichen Einlasses verpasst. Wir wussten, nun müssen wir uns einen Weg bis 6 Uhr morgens suchen, da dann erst der Personaleingang öffnete. Es war Sommer und wir gingen in den Kurpark, schwammen eine Runde im Teich und trockneten uns dann in einem Rohbau auf der Sonnenberger Straße mit Feuerstelle.
Aus vielen verschiedenen Ländern kamen Menschen, die in Deutschland Erfahrung im Hotelgewerbe sammelten. Die Südländer sprachen in der Regel weder Deutsch noch Englisch, lernten aber schnell. Die Skandinavier hingegegen konnten mehrere Sprachen, oft auch etwas Deutsch.
Zwei Mädels aus Finnland:
Als ich an meine vorletzte und längste Station kam, war alles anders. Es war das Privatbüro von Herrn Rosenow. Der Dienst begann in der Regel um 8.00 Uhr, kurz darauf wurde mir das durchgeschaute Nachtbuch und die Post gebracht. Beides legte ich für Herrn Rosenow bereit, der meistens um 9.30 Uhr und oft mit seinem Hund reinschaute. Er telefonierte ewig lang und viel, sprach kurz mit jemandem und war bald wieder verschwunden. Seine Hobbys waren Golfspielen und Reisen. Wenn er im Hause war, parkte er sein schwarzes Cabrio stets mit dem Kennzreichen WI AR 1XX vor der Tür. Ab und an kam auch seine Frau vorbei, beide waren sehr nett und höflich zu mir. Sie lebten zu dieser Zeit in Biebrich, einer Seitenstrasse der Biebricher Allee.
Allerdings hatte „Georgy“, wie wir unseren Direktor nannten, wohl keine Sympathie für ihn. Georgy kam aus ebenfalls aus einer Familie, die einst ein gut geführtes Hotel hatte. Dies war in Schlesien oder im Sudetenland und sie waren enteignet worden. Georgy war wirklich ein alter Hase, der jeder Situation gewachsen war.
Im Privatbüro:
Ich lernte die Speisekarten nach Vorlage vom Küchenchef auf eine Matrize tippen, täglich in Deutsch und Englisch. Bestellte das Büromaterial, schrieb verschiedene Briefe im typischen Hotel Rose Stil, die nichts mit Hotel-Reservierungen zu tun hatten. Zudem öffnete ich Briefe mit eingehenden Bewerbungen, böse Briefe der Berufsschule (sofort wurden die Freunde gewarnt) usw.
Zum Schluss und als Endstation war der Empfang an der Reihe. Inzwischen war man mit den meisten Gästen, den Kollegen, den Abläufen im gesamten Hotel so vertraut, dass es eine große Sicherheit in vielen Momenten mit sich brachte. Wir schrieben Reservierungsbestätigungen, ankommende Gäste wurden begrüßt und engecheckt, dem Pagen die Zimmernummer genannt, damit er den Gast samt Gepäck aufs richtige Zimmer führte. Es waren sehr viele berühmte Gäste aus Geldadel, Politik usw. darunter.
Eines Tages kam ein Gast, checkte ein, bezahlte im Voraus und orderte allesmögliche auf das Zimmer. Andere Teppiche, einen Fernseher (den es damals noch nicht auf den Zimmern gab), einen Kasten Bier usw. Alles sofort und mit viel Trinkgeld bezahlt. Als er anfing Geld an die Mitarbeiter zu verschenken, tauchte seine Tochter auf und erklärte, dass der Gast entmündigt wäre und wir gaben fast alles wieder zurück.
Am Kranzplatz zu leben gefiel mir sehr gut. Von hieraus konnte man bequem die Stadt zu Fuß erkunden. Ich verliebte mich in den alten Baustil und die tollen Hinterhöfe.
Insgesamt hatten die Lehrlinge des Hotels bei den Abschlussprüfungen immer sehr gut abgeschnitten und bekamen Auszeichnungen. Ich hatte nur einen guten Abschluss gemacht, aber Georgy bot mir nach der Lehre eine Stelle als Empfangssekretärin an. Ich hatte jedoch andere Pläne und verließ das Hotel im Sommer 1974, nach mir noch viele andere, denn es war deutlich zu spüren, das das Hotel seine glanzvolle Zeit hinter sich hatte.
Auf dem Markplatz:
An den Quellen:
An der Marktkirche:
Im Kurpark:
Zur bestandenen Abschlussprüfung schenkten mir meine Eltern eine Reise nach Paris, damals mein Traumziel. Mit mir reiste meine Berufsschulfreundin Anita Käsdorf, die ebenfalls die Prüfung bestanden hatte und heute in London lebt.
Avenue des Champs-Elysees:
Unterschrift unter meinem Arbeitszeugnis:
2) Wiesbaden
Wiesbaden, u.a. bekannt durch seine heißen Quellen, profitierte schon in sehr alter Zeit von diesem geologischen Geschenk aus 2.000 Meter Tiefe. So gab es eine Anzahl Badehäuser wie das Badhaus Rose am Kochbrunnen. Der Kochbrunnen ist eine Zusammenfassung von 15 Quellen und war ehemals ein sumpfiges und feuchtes Gebiet, nannte sich Sauerland und war als Wohngebiet völlig ungeeignet. (Nicht zu verwechseln mit dem Sauerland, heute Stadtteil Dotzheim). Durch den Aufschwung des Badebetriebes wurde die Kochbrunnenquelle und auch die anliegenden Feuchtwiesen aufgewertet. Das alte Badehaus wurde abgerissen und es entstand ein Hotel Rose.
1848 hat Wiesbaden 14 tausend Einwohner und 34 tausend Kurgäste. Um 1855 gab es erneut Pläne zur Aufwertung des Kurbetriebes und man errichtete eine Trinkhalle auf dem Kochbrunnenplatz.
3) Familie Häffner
1859 kaufte die Familie Häffner das Hotel Rose, ließ es niederlegen und baute am Ostteil des Kranzplatzes ein neues Haus.
(Der Name Häffner hat keinen Zusammenhang zur Häfnergasse im Quellenviertel, die im mittelalterlichen Wiesbaden die Straße der Töpfer war).
Jacob Häffner und seine Frau Magdalena Stern kamen aus Lörrach. Sohn Heinrich ist dort 1845 geboren und heiratete eine Maria Mathilde Stern.
Das Paar Heinrich und Maria hatte drei Kinder:
1)Maria Emma Häffner *1870 Wiesbaden, + 1935 Wiesbaden,
00 1896, Martin Theodor Wilhelm Rosenow *1870 Gilssofen, Ostpreußen + 1959 Wiesbaden, (Eltern von Adalbert Rosenow)
2)Wilhelm Gustav Häffner *1872 Wiesbaden, + 1952 Wiesbaden,
00 1) Louise Douglas Powell, *1877 Washington, USA, + 1921 London, England. Vermutlich waren die beiden geschieden, denn 1920 heiratete er erneut. Das Paar hatte zwei Töchter.
00 2) 1920 Wiesbaden, Majrie Hedwig Tamm *1885 Basel, Schweiz, die Tochter des Baumeisters Heinrich Wilhelm Tamm und der Maria Stern. Getauft wurde sie im Dezember 1885 in Lörrach. So wird sie mit der Familie Stern, Frau von Heinrich Häffner, verwandt gewesen sein.
3)Alexander Wilhelm Häffner *1875 Wiesbaden, in der Wohnung seiner Eltern am Kranzplatz. + 1953 Wiesbaden, in seiner Wohnung in der Kapellenstrasse.
Ab 1896 bis 1900 erfolgte eine ausgedehnte Renovierung des Hotels zum Prachtbau. 1920 führten es die Brüder Wilhelm Gustav und Alexander Wilhelm Haeffner das Haus, bis es 1945 beschlagnahmt wurde.
Stets, auch während des zweiten Weltkrieges kamen viele Größen in die Rose. Mein Großvater war zwar keine politische Größe, auch nicht berühmt, aber er war in der Kriegszeit etwa Frühjahr/Sommer 1943 mit der SA in der Rose. Seine Einheit zog dann weiter nach Frankreich. Er war kein Wiesbadener.
1949 wurden die Trinkhallen wieder eröffnet, 1950 das Kurviertel wieder aufgebaut.
Nach erfolgter Freigabe 1957 übernahm das Hotel Rose ein Neffe : Diplom Volkswirt Adalbert Rosenow *1903 in Wiesbaden, jüngster Sohn von Maria Emma geb. Häffner und Major Rosenow. Maria und Martin Rosenow hatten zwei ältere Söhne im 1. Weltkrieg verloren, und es gab noch eine Tochter.
1959, nach langer aufwendiger Renovierungszeit eröffnete Adalbert Rosenow das Haus und richtete anstelle der bekannten Zimmerzahl einige Appartements zur Dauermiete ein. Es gab auch weiterhin ein Badhaus und man konnte wieder ein anspruchsvolles Publikum begrüßen.
Als Mehrheitseigener, nach langen Verhandlungen mit unterschiedlichen Interessenten, verkauft Adalbert Rosenow das Hotel 1989 an den Investor Schneider und starb 1989 kinderlos in Wiesbaden.
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