In dem kleinen Dorf Orferode in Oberhessen siedelte sich nach dem 30 jährigen Krieg eine alte Weinhandelsfamilie mit Nachnahmen Kröger an und baute u.a. einige größere Fachwerkhäuser, die heute noch das Dorfbild prägen. Orferode ist heute ein Stadtteil von Bad Sooden-Allendorf im heutigen Werra-Meißner-Kreis. Die Familie schrieb sich später u.a. Kräger, Kreger, Gräger, Graeger. Diese Familie war sehr früh bestens vernetzt. Außer dem stillen Wein wurde auch mit Spirituosen gehandelt.
Die Einwohner hatten dort häufig durch den Wein- und
Salzhandel (neben Landwirtschaft und Handwerksberufen) ihr Auskommen als
Fuhrleute. In früher Zeit, bis zur Einführung der Eisenbahn, wurden mit 120 Pferdegespannen Weine vom Rhein und Frankreich geholt, in Orferode gekellert und nach Mitteldeutschland bis nach Dresden geliefert.
1) Ein Johann Nicolaus, Gerichtsschöffe, Kirchenältester und Weinhändler aus Orferode, + 1795 ebenda, betrieb einen ausgedehnten Weinhandel,
2) ein Sohn Johannes *1746 Orferode, verstarb 1810 im nahen Weidenhausen. Er wurde 1795 als Gerichtsschöffe und Weinführer genannt, wie auch sein Vater und Bruder.
3) Sohn Johann Heinrich *1777 Weidenhausen verstarb 1843 in Mühlhausen in Thüringen.
4) Sohn Johann Nicolaus wurde 1806 in Mühlhausen geboren. Er war Doktor phil, Apotheker, Chemiker und Fabrikbesitzer. 1833 heiratete er in Mühlhausen eine Wilhelmine Lutteroth *1813 Mühlhausen, + 1880 Halle an der Saale. Beide lebten 1864 Am alten Markt 3 in Halle. Religion ev.
Mit ihren Söhnen beginnt die Familiengeschichte, die mit der späteren Sektkellerei Carl Gräger in Hochheim verbunden ist.
Die Kinder, alle geboren in Mühlhausen, Thüringen, waren:
1) Otto *1834, + 1835, 2) Christoph Friedrich Wihelm
Oskar *1836, 00 1871 Berlin, + 1915 Berlin-Schöneberg, 3) Julie Anna Wilhelmine
Mathilde *1838 00 1863 in Mühlhausen, 4) Ernst Heinrich Alexander *1840 00 1866 in Mühlhausen, 5) Friedrich Herman *1842 00 1868 Mühlhausen, Anna Carolina Friederica
Pauline *1844 + 1855, Ernst Ludwig Eugen
Heinrich *1847, 00 1872 Berlin, + 1902 Berlin, Emil Heinrich Wilhelm Carl *1849, 00 1881 Wiesbaden, + 1902 Hochheim. Carl lebte als Lehrling 1865 in Erfurt.
Zwei Brüder gründeten 1868 in Berlin als = O + H Graeger die Hochheimer Schaumweinkellerein und sandten ihren jüngeren Bruder zum Grundweineinkauf in den Rheingau. Sie selbst waren als Weinhändler in der Lindower Str. , Berlin, eingetragen.
Emil Heinrich Wilhelm Carl jedoch gründete 1877 seine eigene Sektfirma, ohne seine Brüder zu konsultieren. Dieser Streit endete vor Gericht. Carl, der Oskar und Heinrich eine Abfindung zahlen musste, dennoch wurde er ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann.
Während sich Oskar nach der Ansiedlung aus
dem Geschäft zurückzog, kaufte Heinrich mit seinem Erlös 1892 Château de Vaux
und begann dort mit der Sektproduktion. Um sich von seinem Bruder abzugrenzen,
benannte er die Firma Champagner Kellerei Schloss Vaux um.
Produziert wurde zunächst in bescheidenem Umfang in einem Haus am Rathausplatz, im Hause des Altbürgermeisters. Nach dem steigen der Verkaufszahlen erwarb man mehrere Grundstücke an der Hauptstrasse und legte die dort vorhandenen Gebäude nieder, um Platz für stattliche Neubauten und ausgedehnte Kellereien zu schaffen.
Um dem steigenden Export nach Großbritannien gerecht zu werden, errichtete man in London eine Filiale und erwarb auch in Deutschland einige Weingüter.Zu dieser Zeit wurde der Sparkling Hock – der schäumende Hochheimer, ein Begriff im englischsprachigen Ausland.
Carl Graeger und seine Ehefrau Ida Elisabeth Marie Rüping aus Düsseldorf lebten in Gütergemeinschaft. Sie hatten drei Kinder in Hochheim am Main geboren: 1) Emma Maria
Wilhelmine *1883, 2) Wilhelm Alfred Alexander
Jakob *1884 3) Emma
Dorothea Mathilde Ida *1886. Carl wird zu dieser Zeit Schaumweinfabrikant genannt.
Der Baukomplex der Sektkellerei Graeger ist entstanden
Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts an Stelle von Hofhäusern des 16./17.
Jahrhunderts der Familien von Metternich-Winneburg (Bassenheimer Hof) und von
Dahlberg. Alter Inschriftstein und Sandsteinkapitell ist erhalten. Neben zwei
schlichten, zweigeschossigen Wohnbauten der Mitte des 19. Jahrhunderts, das
eine mit Fachwerkobergeschoss, entstand 1891 ein dreigeschossiges Stadtpalais
für Carl und Ida Graeger mit aufwendiger Fassade in Neorenaissanceformen sowie
qualitätvoller Innenausstattung. Zugehörig das Schmiedeeisentor mit reichen
Zierformen. Um 1889 wurden die rückwärtigen Kellereigebäude in
Backsteinmauerwerk mit verschiedenen Schmuckformen, unter Einbeziehung von
Weinkellern des 17./18. Jahrhunderts, errichtet. Zugehörig die Keller unter den
Gebäuden Neudorfgasse 2-4, sie gliedern sich in ein oberes und ein unteres
Geschoss. Der obere Keller entstand 1893 in Ziegelmauerwerk mit preussischer
Kappendecke, der untere Keller datiert vom Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert und
besteht aus vier Räumen. Er wurde in Ziegel und Bruchsteinen gemauert und ist
mit Korbbögen bzw. einer flachen Tonne überwölbt.
1891 kaufte man das Weingut Chateau Sansonnet bei Metz mit einer Clairet-Kellerei, 1895 kam das Weingut der Firma Bachem & Fanter, das zu einem der besten Hocheimer Lagen gehörte, dazu. 1897 machten steigende Kapazitäten erneut umfangreiche Erweiterungen des Betriebs notwendig. Im Jahr darauf folgte der Erwerb einer Kistenfabrik.
Das Warenzeichen wurde 1894 angemeldet und 1895 unter der Nr. 3302 Klasse 16b in die Zeichenrolle eingetragen und durch das Kaiserliche Patentamt beglaubigt. Graeger Sekt gehört damit zu den sogenannten Traditionsmarken, die auch heute noch fester Bestandteil des Sektangebotes in Deutschland sind.
1898 gehörte fast der gesamte Komplex zwischen der Post und dem westlichen Ausgangstor von Hochheim, genannt „Meenzer Port“, der Sektkellerei Graeger. Noch heute befinden sich unter dem Gebäude ausgedehnte Kellereien mit mehr als 3.500qm Fläche. Die Flaschen wurden mit eigenem Fuhrpark zum Hochheimer Bahnhof und von dort per Bahn zu den Schiffsladestellen in Mainz befördert.
1898 gehörte fast der gesamte Komplex zwischen der Post und dem westlichen Ausgangstor von Hochheim, genannt „Meenzer Port“, der Sektkellerei Graeger. Noch heute befinden sich unter dem Gebäude ausgedehnte Kellereien mit mehr als 3.500qm Fläche. Die Flaschen wurden mit eigenem Fuhrpark zum Hochheimer Bahnhof und von dort per Bahn zu den Schiffsladestellen in Mainz befördert.
Carl war sehr umtriebig und bekannt mit allen Sektfabrikanten im Umkreis. Es gab auch Beteiligungen bei anderen namhaften Herstellern. Zudem bestand eine Mitgliedschaft im Verband Deutscher Schaumweinkellereien und Teilnahme an den Treffen der deutschen Schaumweinfabrikanten. Man las u.a. die Deutsche Weinzeitung.
Die beiden Jahrzehnte vor dem ersten Weltkrieg waren die Blütezeit der Sektkellerei Graeger. Zahlreiche Auszeichnungen auf diversen Ausstellungen begründeten den Ruf, als eine der besten Sektmarken. Nach dem Tod vom Gründer 1902 übernahm zunächst seine Witwe Ida das Geschäft und übergab es später ihrem Sohn Alexander.
Nach dem ersten Weltkrieg erlitt die Sektkellerei erhebliche Abstatzeinbußen. Sie verlor nicht nur Schloss und Weingut Sansonnet, sondern büßte ihre Hauptexportmärkte Großbritannien und den USA ein. (Lothringen wurde an Frankreich zurückgegeben und die Deutschen, die Region verlassen.)
Graeger konnte in Deutschland den Absatz in absoluten Zahlen weitgehend stabil halten, doch auch hier verlor man Marktanteile und konnte weder in den dreißiger noch in den fünfziger und sechziger Jahren des 20 Jahrhunderts vom steigenden Sektkonsum profitieren.
Es gab für die Mitarbeiter eine Pensions- und Unterstützungskasse.
https://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/45918/
Carl Graeger
Friedhof Hochheim
Friedhof Berlin - Grab Familie Heinrich Graeger
Nach seinem Tod führte seine Witwe das Unternehmen weiter. Der einzige Sohn besuchte von 1890-1894 die Elementarschule in Hochheim, wechselte dann auf das Großherzögliche Gymnasium in Mainz bis 1902. Als kleine Jugendsünde auch einen Strafbefehl des Amtsgerichts Metz gegen Alexander Graeger wegen Radfahrens ohne Licht, 3. 10. 1904.
Danach ging es zum Magdeburgischen Dragoner Regmient Nr. 6 für ein freiwilliges Jahr. 1905/6, 1907 war er als Unteroffiziers im 2. Kgl. Sächsischen Ulanen Regiment, später Leutnant. 1910 übernahm er die Sektkellerei. Am ersten Weltkrieg nahm er als Leutnant teil.
Während des zweiten Weltkrieges erhielt er am 10.11.1944 den Stellungsbefehl zum Volksturm Bataillon Hochheim. Später wurde er Ordonanzoffizier im Stabe des Volkssturm.
Nach Kriegsende erging eine Aufforderung des Bürgermeisters von Hochheim an Alexander Graeger zu Arbeiten bei der Einebnung einer ehemaligen Flak-Stellung, 19. 10. 1945 - Beschluss der Spruchkammer Main-Taunus, Hochheim a. M., vom 23. 4. 1948 betr. AG (mit Persilschein).
Desweiteren gab es eine Aufforderung des Bürgermeisters Schwab von Hochheim an Alexander Graeger (" als ehemaliges Mitglied des NSDAP") zur Ablieferung eines Bettes zur Ausstattung der Wohnung eines ehemaligen KZ-Häftlings, 17. 11. 1945.
Nachdem Wilhelm Alfred Alexander Jakob Graeger 1965 kinderlos verstarb, erbte seine ebenfalls kinderlose Schwester Emma Dorothea Mathilde Ida das Unternehmen. Emma war Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler München e. V. und bekannt mit Ferdinand Luthmer, Direktor der Kunstgewerbeschule des Mitteldeutschen Kunstgewerbe-Vereins in Frankfurt a. M. Sie reiste viel und lebte zeitweise in einer Münchener Villa in der Flemmingstr. und besaß ein Aktiendepot bei der Deutschen Bank, München. Mit dem Bruder pflegte sie einen intensiven Briefwechsel. Sie verstarb 1970 in Wiesbaden.
Im Falle ihres Ablebens hatte sie für ihr Erbe eine Stiftung zur Förderung von Künstlern ins Leben gerufen. Das bislang als Personengesellschaft geführte Unternehmen, das zu diesem Zeitpunkt noch 15 Beschäftigte zählte, wurde in eine GmbH unter der Firma Carl Graeger GmbH Sektkellerei umgewandelt.
Treuhänderischer Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter wurde als Testamentsvollstrecker der Diplom-Kaufmann Norbert Wächter. Er bestellte am 1. Januar 1973 Heinz Kilb zum Geschäftsführer.
Allerdings wurde nunmehr das Unternehmen verschiedentlich dazu verwendet, Gelder nicht ordnungsgemäß zu verwenden, so daß die vorgesehene Förderung der Künstler nicht zum tragen kam.
Das Unternehmen war inzwischen verschuldet und die Mainzer Volksbank, der größte Gläubiger, setzte als Geschäftsführer Otto Geck ein, der das Unternehmen zwischen 1980 und 1985 aus der Krise herausführten und der Marke Graeger neues Renommee verschaffte. Fachkundiger Kellermeister war Johann Sturm aus dem Rheingau. 1993 wurde die eigene Sektproduktion aufgegeben und die Graeger-Marken wurden in anderen Keltereien versektet. Otto Geck trat 1996 in den verdienten Ruhestand. Kurz darauf wurde das Unternehmen verkauft und ging mit dem Namen Graeger 1997 als Sekthaus nach Bingen.
Hochheim, das Tor zum Rheingau
Spree _ Kind @ web . de